Stülpner ist der erzgebirgische Volksheld – ein Wildschütz und Schmuggler, Lebenskünstler und Überlebenskünstler, der der verhassten Obrigkeit stets eine Nasenlänge voraus war. In der Zeit der dramatischen sozialen Umbrüche am Ende des 18. Jahrhunderts wurde er zur Projektionsfigur für die einfache Bevölkerung, die sein rast und ruheloses Wanderleben zum Abenteuerroman verklärte.
Karl Stülpner, der „Robin Hood des Erzgebirges“, repräsentiert die Gegenwelt zur Burg Scharfenstein. War die Burg jahrhundertelang ein beeindruckendes Symbol der Mächtigen gewesen, so wurde Stülpner zur Symbolfigur der Unterdrückten, sobald die Macht repressiv, d.h. ohne die dazugehörige Verantwortung, ausgeübt wurde. Stülpner wurde zum Volkshelden, jeder hier im Erzgebirge kennt die Anekdoten über den “Stülpner Karl”. Vergleichbare „Volkshelden“ kennt man in vielen Regionen: Michael Kohlhaas etwa oder, im Rheinland, den Schinderhannes, den Räuberhauptmann Karasek in der Lausitz, den Österreicher Jennerwein oder den Bayerischen Hiasl.
Die Strickmuster ihrer Lebenslegenden ähneln sich – immer wurzeln sie in einer Zeit dramatischer Umbrüche bei gleichzeitigem Versagen der Obrigkeit. Vor allem das 18. Jahrhundert, als der alte Adel starr am überlebten “real existierenden Feudalismus” festhielt – was in Frankreich bekanntlich zur offenen Revolution führte – war in Deutschland das Jahrhundert der latenten Rebellion der Räuber, Gauner und Wilddiebe.
Aber die Wilderei, die damals nicht aus Abenteuerlust geschah, sondern aus purer Not und weit verbreitet war, ist nur eine Facette der schillernden Persönlichkeit des Stülpner Karl. Schon früh landete er beim Militär, floh und zog als Deserteur kreuz und quer durch Mitteleuropa – in einer Zeit, in der die meisten kaum je ihr Dorf verließen. Gleichzeitig blieb er innerlich heimatverbunden mit dem Erzgebirge, immer wieder trieb es ihn zurück in seinen Geburtsort Scharfenstein, wo er auch seine letzten Lebensjahre in bitterer Armut verbrachte.
Dann, quasi im Abspann seines Lebens, entfaltete Stülpner sein Talent als Geschichtenerzähler, der stundenlang und humorvoll über seine Abenteuer plauderte. Ein Verleger brachte seine Biographie als Buch heraus. Darin präsentiert Stülpner sein Leben als lose Sammlung von Bubenstreichen und Husarenstücken. Es sind diese Geschichten, die das Fundament des Stülpner-Mythos bilden, der den Menschen Karl Stülpner fast vollständig verdeckt: In den Folgekapiteln zeichnen wir das Bild einer gescheiterten Existenz, die im Scheitern zu einer inneren Größe fand, die ihn als Volks-Held legitimiert
Jugend und Wanderjahre (1762 - 1794)
Als Karl Stülpner 1762 in Scharfenstein als achtes Kind einer Tagelöhnerfamilie zur Welt kam, wurde er hineingeboren in eine Zeit, die sich längst selbst überlebt hatte. Zur Farce verkommen war das tausend Jahre alte Feudalsystem, in dem der Adel von den Untertanen Abgaben gefordert und im Gegenzug Schutz gewährt hatte. Ohne erkennbare Gegenleistung und ohne Bezug zum einfachen Volk pressten die Adeligen ihre Untertanen aus, junge Männer zog man willkürlich zum Militärdienst ein. Bei Missernten blieb den Bauern kaum mehr etwas für den Eigenbedarf. So erlebt Karl Stülpner schon als Kind bittere Not: Der Siebenjährige Krieg hat das Land verwüstet, in der Hungersnot von 1771 starben sein Vater und sein Bruder. Aus Mangel an Perspektive verpflichtet er sich 1780 beim sächsischen Militär, desertiert aber 1785 trotz drohender Todesstrafe.
Er flieht über die Grenze nach Böhmen – achteinhalb ruhelose Jahre zieht er zu Fuß durch Europa, arbeitet in Böhmen und in Ungarn, wandert in die Schweiz, nach Hannover und nimmt in
preußischen Diensten am Krieg gegen Frankreich teil – bis ihn 1794 das Heimweh zurückzieht in sein Erzgebirge.
Das große Treiben
(1794 - 1800)
Als er nach acht ruhelosen Jahren zurückkehrt nach Scharfenstein, entschließt sich Stülpner zu einem Leben als Wildschütz. Dies war der Bruch mit jeglicher legalen Existenz! Die Wälder und das dort lebende Wild gelten als Eigentum des Adels, weshalb man Wilderei als Frevel gegen die Obrigkeit interpretiert. Während die Bevölkerung unter Hungersnöten leidet, wimmelt es in den Wäldern von Wild, das auch noch die Ernte der Bauern bedroht. Dies macht den Kern der enormen Sympathie aus, die Karl Stülpner entgegenschlägt. Die folgenden sechs Jahre sind die Zeit mit der höchsten biografischen Dichte im langen Leben des Stülpner Karl. Als Geächteter treibt er sich im Erzgebirge herum und wird Anführer einer Schar Wilderer, die ihr Geschäft im gewerbsmäßigen Stil betreibt. Die ansässigen Bauern decken ihn, obwohl ein hohes Kopfgeld auf ihn ausgelobt ist. Stülpner wird Tagesgespräch. In den Dorfschenken erzählt man sich, wie er die hohen Herren an der Nase herumführt und für die kleinen Leute eintritt. Die meisten Geschichten über Stülpner stammen aus dieser Zeit.
Späte Jahre, Abstieg und Ende
(1800 - 1841)
Stülpners Zeit des großen Treibens endet, als er Vater wird und eine Familie gründen möchte. Pikanterweise ist die Mutter seines Kindes keine Geringere als Johanne Wolf, die ehrbare Tochter des Scharfensteiner Ortsrichters, die eine jahrelange heimliche Affäre mit dem Geächteten gehabt hat. Er stellt sich der Obrigkeit und entgeht der Todesstrafe dank einflussreicher Fürsprecher, wird aber auf Lebenszeit zum Militärdienst verpflichtet. 1806 wird er bei Jena-Auerstedt verwundet. Weil seine Eingaben auf vorzeitige Entlassung abgeleht werden, desertiert Stülpner erneut. Er flieht 1807 mit seiner Geliebten nach Böhmen und heiratet. Als Sachsen zur Feier des Sieges über Napoleon ein Generalpardon verkündet (1813), kehren sie zurück. Doch Stülpner findet keine Ruhe: Wegen Schmugglergeschäften muss er 1820 erneut fliehen, dann stirbt Johanne. Seine zweite Ehe ist unglücklich, 1828 kehrt er heim ins Erzgebirge. Hier zieht er von Ort zu Ort und erzählt seine Anekdoten voll jovialer Wildererromantik – noch zu Lebzeiten erscheint seine Biografie als Buch. Die letzten Jahre bis zu seinem Tod wird er aus der Armenkasse versorgt.
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Uhrzeit: | jeweils 13 + 15 Uhr |
Dauer: | ca. 60 Minuten |
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